„Welche Ziele haben Sie sich für das aktuelle Jahr gesetzt?“ Was antworten Ihre Mandanten, wenn Sie diese Frage stellen? Ich erlebe häufig beredtes Schweigen. Wenn ich die Frage konkretisiere: „Haben Sie schon mal Ihren Gewinnbedarf berechnet?“, schaue ich meist in fragende Gesichter. Der Gewinnbedarf ist aber die zentrale Vorsteuerungsgröße: Wie viel Gewinn ist notwendig, um davon gut leben und das Unternehmen mit ausreichend Eigenkapital ausstatten zu können?
Das Thema Gewinnbedarf ist speziell für Steuerberater ein zentraler Ansatzpunkt für eine weitergehende Unterstützung der Mandanten. Denn das erforderliche Vertrauensverhältnis als Grundlage für den Einblick in die privaten Finanzen ist bereits vorhanden. Natürlich ist dies eine zusätzlich zu honorierende Dienstleistung, wie im ersten Beitrag dieser Reihe angesprochen. Der Zusatznutzen ist für Unternehmer sofort erkennbar.
Für die Inhaber kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) ist Gewinn oft das, was übrig bleibt. Die Struktur der BWA mit dem „vorläufigen Ergebnis“ und auch der Gewinn- und Verlustrechnung mit dem „Jahresüberschuss“ (oder auch Jahresfehlbetrag) legt diese Sichtweise nahe. Daher kennen viele Unternehmer ihre „Gewinn-Lücke“ gar nicht: die Differenz zwischen erzieltem und „eigentlich“ erforderlichem Jahresüberschuss, dem Gewinnbedarf. Wer die Lücke nicht kennt, kann aber auch nicht den Ehrgeiz entwickeln, diese zu schließen.
Die weit verbreitete Denkweise „was übrig bleibt“ führt zu mittelfristig bedenklichen Strukturen: abschmelzendes Eigenkapital durch gewinnübersteigende Entnahmen bis hin zum Fehlkapital. Und bei Kapitalgesellschaften das Verharren auf einer ungenügenden Eigenkapitalausstattung von beispielsweise 25.000 Euro bei der GmbH (und noch weniger bei den meisten UG). Denn das unternehmerische Ziel ist eine „schwarze Null“. Das mag steueroptimiert sein - aber auch unternehmensoptimiert? Im Bankgespräch beanstandet dann der Kreditgeber die aus seiner Sicht ungenügende Eigenkapitalausstattung.
Der Gewinnbedarf beinhaltet drei große Bedarfsgruppen:
Erstaunlich ist, dass selbst zu den erforderlichen Ausgaben für die private Sicherheit bei vielen Unternehmen keine konkreten Zahlen vorhanden sind. Zwar wird bei der Kapitalgesellschaft ein Geschäftsführergehalt festgelegt, aber die Basis dafür ist nicht definiert. Einzelunternehmer und Freiberufler haben meist keine Zahl, wie hoch die monatliche Entnahme denn eigentlich sein müsste. Also gilt es, diesen Bedarf zu ermitteln.
Aufstellung privater Bedarf - ein Beispiel:
Da nicht alle Kosten monatlich anfallen, ist eine Tabelle mit Spalten für monatlich und unregelmäßig anfallende Ausgaben hilfreich. Die Werte sind anschließend für das gesamte Jahr zu addieren und dann durch zwölf zu teilen, so ergibt sich der durchschnittliche Monatswert.
Beim Thema Unternehmenssicherheit bedarf es oft weiterer Erläuterungen, damit die drei Elemente verstanden werden:
Eigenkapitalverzinsung
Die Unternehmer stellen ihrem Unternehmen Eigenkapital zur Verfügung. Die Alternative: Geld zur Bank bringen und Zinsen erhalten (zumindest in „normalen“ Zinszeiten). Das heißt: Das Unternehmen muss das Eigenkapital verzinsen und diese Zinsen verdienen. Also müssen diese in den Gewinnbedarf eingerechnet werden. Nebenbei: Nur so wird die Eigenkapitalverzinsung vermutlich auch in die betrieblichen Kalkulationen zum Beispiel zum Stundenverrechnungssatz mit einfließen. Als Zinssatz empfiehlt sich die Umlaufrendite von Bundesanleihen in den letzten 20 - 30 Jahren. Plausibel ist eine Größenordnung von fünf oder sechs Prozent p.a.
Risikoprämie
Für die Risikoprämie gibt es keinen „richtigen“ Prozentsatz. Allgemein wird davon ausgegangen, dass die Investition in ein Unternehmen risikobehafteter ist als eine Bankeinlage. Es empfiehlt sich, den für die Eigenkapitalverzinsung gewählten Satz auch hier anzuwenden, also die Verzinsung zu verdoppeln. Diese pragmatische Vorgehensweise erspart oft ermüdende und unproduktive Diskussionen um den „richtigen“ Prozentsatz.
Eigenkapitalzuwachs
Unternehmen haben eine mehr oder weniger hohe Eigenkapitalquote (Eigenkapital in Prozent der Bilanzsumme). Wenn diese ausreichend ist (das definieren Unternehmer am besten gemeinsam mit ihren Beratern mit Blick auch auf Externe wie Kreditgeber, Auskunfteien, Lieferanten oder Kunden), kann dieser Faktor entfallen. Wenn die Eigenkapitalquote aber nicht ausreichend ist oder das Eigenkapital bei einer gewünschten Expansion des Unternehmens mit wachsen soll, dann ist hier eine realistische Größe für den Eigenkapitalzuwachs anzusetzen. Je nach Größenordnung ist dieser Zuwachs an Eigenkapital dann in einen jährlich zu erwirtschaftenden Teilbetrag zu unterteilen.
Eine kleine Tabelle kann helfen, die drei Elemente inklusive des Rechenweges übersichtlich darzustellen.
Natürlich sind auch die Steuerzahlungen auf die bis hierher errechneten Beträge in den Gewinnbedarf einzurechnen. Die überschlägige Berechnung der steuerlichen Wirkungen ist für Steuerberater ein Routinevorgang.
Aus betriebswirtschaftlicher Sicht sind Steuerzahlungen dann positiv zu sehen, wenn das Unternehmen nach der Nutzung aller betriebswirtschaftlich sinnvollen Steuersparmöglichkeiten einen Jahresüberschuss ausweist, der zu einer (erhöhten) Steuerzahlung führt. Denn dann hat das Unternehmen ein erfolgreiches Jahr hinter sich.
Meine Beratungserfahrungen zeigen mir leider, dass die Steuervermeidung oft als absolute Zielgröße gesehen wird und betriebswirtschaftliche und finanzierungstechnische Rahmenbedingungen außer Acht bleiben. Was leider häufig mittelfristig zu Engpass-Situationen führt.
Die Addition der drei Ergebnisse ergibt den erforderlichen Gewinnbedarf. Ein Abgleich mit dem letzten Jahresüberschuss kann nur zwei alternative Ergebnisse erbringen:
Kaum einer Ihrer Mandanten wird sich selber hinsetzen und für diese Berechnung ein Schema erarbeiten. Tun Sie das für Ihre Mandanten in einem für Sie gängigen Format und bieten Sie diese Vorlage an – mit der ergänzenden Unterstützung beim Ausfüllen:
Speziell bei den Zahlen zur privaten Sicherheit hat es sich bewährt, wenn Partner/innen diese Zahlen unabhängig voneinander in die Vorlage eintragen, sich in einem zweiten Schritt darüber austauschen und dabei zu gemeinsamen Zahlen kommen. Wenn die Vorlage gemeinsam ausgefüllt wird, werden oft je nach Kommunikationsverhalten und Dynamik in der Partnerschaft bestimmte Themen oder Beträge gar nicht erst angesprochen.
Für Sie als Berater werden sich aus der Berechnung des Gewinnbedarfs oftmals Anschlussaufträge ergeben, zum Beispiel mit Blick auf Maßnahmenkatalog oder Geschäftsplanung. Daher ist der Beratungsansatz „Gewinnbedarf “ auch gut für ein Festhonorar geeignet.
Wenn Sie als Steuerberater das Thema Gewinnbedarf und die Folgethemen als wichtig ansehen, aber nicht selber als Beratungsleistung durchführen wollen, dann denken Sie über entsprechende Kooperationspartner nach. Denn „das Thema“ ist bei Ihren Mandanten vorhanden. Und wenn Sie es nicht ansprechen, wird es irgendwann jemand anderes tun. Und Sie werden dann vielleicht mit der Frage konfrontiert, warum Sie als langjährige Begleitung darauf nicht gekommen sind?
Carl-Dietrich Sander
Iist freiberuflicher UnternehmerBerater und Trainer für Unternehmer. Eines seiner meist gebuchten Seminarthemen lautet „Die BWA lesen, verstehen und nutzen“. Mit www.bwa-check.de ist er zum Thema auch im Internet präsent. Im Bundesverband Die KMU-Berater leitet er die Fachgruppe „Finanzierung-Rating“. Außerdem ist er als Referent für betriebswirtschaftliche Fortbildungen für Steuerberater tätig – zum Beispiel beim Steuerberaterverband Westfalen-Lippe e.V. und bei Steuerseminare Graf GmbH im Rahmen des Programmpunktes „Kanzlei 4.0“.
4-teilige Serie "BWA – Mehrwert durch Beratung" Unterstützen Sie Ihre Mandanten, das Potenzial der BWA zu nutzen und generieren Sie ein Zusatzgeschäft für Ihre Kanzlei. Wie? Das erläutert UnternehmerBerater Carl-Dietrich Sander in der 4-teiligen Serie "BWA – Mehrwert durch Beratung".