Über diesen Richtungsstreit sowie die Zukunftssicherheit der eigenen Steuerkanzlei haben wir mit Strategieberater und Erfolgsautor des Buches „Gebrauchsanweisung für die Zukunft“ Wolf Hirschmann gesprochen.
Herr Hirschmann, Sie haben in Ihrer Beraterfunktion viele Branchen kennengelernt und sich mit dem „Verfallsdatum eines Unternehmens“ beschäftigt. Mit diesem Hintergrundwissen – wie beurteilen Sie die Zukunft der Steuerberatungsbranche?
Ganz offen und direkt, bei einer Steuerkanzlei geht es um wirtschaftlichen Erfolg. Sie ist ein Unternehmen – und steht insofern auch im Wettbewerb. Der Steuerberater ist somit nicht nur fachlicher Spezialist, sondern ebenfalls Unternehmer und sollte daher eine regelmäßige Überprüfung des Status quo vornehmen. Und das nicht nur in Bezug auf die Konkurrenz – also die Kanzleien in seiner Umgebung – sondern auch auf die Gesamtlage seiner Branche. Wer nicht hinsieht, kann Veränderungen, gerade gefährliche, nicht erkennen. Dann geht es ganz schnell. Erlauben Sie mir ein populäres Beispiel und denken Sie an Kodak. Eine namhafte Firma – in kurzer Zeit fast vollständig vom Markt verschwunden.
Sie meinen, ähnliches droht auch den Steuerberatern? Welche Möglichkeiten bleiben denn, wenn ein solch nachhaltiger Wandel die eigene Branche erfasst?
Lassen Sie mich für die Antwort zum Beispiel Kodak zurückkommen. Die Nummer zwei im Geschäft mit Farbfilmen war damals Fujifilm. Der japanische Konkurrent hat im Vergleich zu Kodak nicht nur „überlebt“ – er hat seine Geschäfte erfolgreich ausgebaut. Wissen Sie, wieso sie mit dem Wandel wesentlich besser klargekommen sind?
Nein, verraten Sie es uns.
In beiden Unternehmen wurde der anstehende Wandel erkannt – doch nur bei Fujifim wurde mutig und konsequent weitergedacht. Man stellte sich unter anderem die Frage, wie und wo das eigene Know-how zukünftig noch profitabel eingesetzt werden kann. Für Farbfilme braucht es Spezialwissen im Bereich chemischer Verbindungen und feiner Beschichtungen. Mit diesem Wissen hat sich Fujifilm zu einem Big-Player im Bereich LCD-Bildschirme und der Medizintechnik-Branche entwickelt. Heute ist das Unternehmen breiter und besser aufgestellt als je zuvor.
Jetzt haben Sie in Ihrem Beispiel auf multinationale Unternehmen mit tausenden Mitarbeitern verwiesen. Wie hilft dieses Beispiel der kleinen Steuerkanzlei vor Ort?
Die Herausforderungen vor denen große Unternehmen stehen, unterscheiden sich im Grundsatz nicht von denen der Steuerkanzleien. Technologische Entwicklungen und Verbesserungen lassen bisher einträgliche Tätigkeitsfelder wegbrechen oder zumindest an Bedeutung verlieren. Daher müssen neue Einnahmequellen und Betätigungen erschlossen werden.
Im Fall der Steuerberatung heißt dies konkret: Durch die Digitalisierung werden die deklaratorischen Tätigkeiten in näherer Zukunft automatisierbar – das Kerngeschäft ist also direkt betroffen.
Als mögliche Antwort auf solche Szenarien wird von verschiedenen Institutionen in der Branche immer wieder die (betriebswirtschaftliche) Beratung als Heilmittel angepriesen. Der „STAX 2015“ und die Kammerschrift „Steuerberatung 2020“ sind hier sicherlich die bekanntesten Untersuchungen. Wie sehen Sie diese Forderungen?
Es ist der richtige Weg. Steuerberater besitzen einen riesigen Wissenspool aus dem sie schöpfen können. Dabei handelt es sich nicht nur um steuerliches Fachwissen, sondern auch um die Gegebenheiten in den Unternehmen ihrer Mandanten und das Wissen um Aufbau und Pflege persönlicher Vertrauensverhältnisse. All dies bietet geradezu ideale Voraussetzungen, um Beratungsangebote zu realisieren.
Hierfür sollten Kanzleiinhaber die Vorteile moderner Technologien und funktioneller Software voll einsetzen. Dabei gilt, sich nicht nur mit Bilanzbetrachtungen oder aktuellen BWAs, sondern auch mit den zukünftigen Marktthemen der Mandanten zu beschäftigen.
Kurz gesagt: Was können Steuerberater anbieten, möglicherweise auch durch Kooperationen, um auf Kundenseite als Problemlöser, Wegbereiter, Mitdenker und Sparringspartner gesehen zu werden? Wo sind die Bedarfsfelder in ihrer Mandantschaft und lohnen sich Spezialisierungen und gezielte Weiterbildungen?
Das hört sich nach einem starken Bruch im bisherigen Berufsfeld der Steuerberatung an. Was bleibt in Ihren Augen übrig vom klassischen Steuerberater?
Ich bin überzeugt, dass die Vorbehaltsaufgaben – sollte sich die Gesetzeslage nicht ändern – weiterhin eine wichtige Rolle spielen werden. Wobei Steuerberater stärker eine Kontrollfunktion über die Software übernehmen werden. In diese Richtung gehen ja auch die Münsteraner Thesen der BStBk. Doch um die Prosperität der Kanzlei sicherzustellen, wird um die Beratung wohl kein Weg vorbeiführen.
Dies soll nicht heißen, dass der Steuerberater von heute auf morgen sein gesamtes Portfolio auf Beratung umstellen soll. Aber wer sich jetzt die oben genannten Fragen stellt, macht die ersten wichtigen Schritte von einer erfolgreichen Gegenwart in eine erfolgreiche Zukunft.
Ein schönes Fazit und ein guter Ausblick! Herr Hirschmann, wir bedanken uns für das Gespräch.
Wolf Hirschmann
Ist Strategieberater und Geschäftsführer von SLOGAN. Außerdem ist er als Redner tätig und Autor des Buches „Gebrauchsanweisung für die Zukunft: 5 Schritte, wie Sie Ihre Firma voran bringen“. (www.slogan.de)