Herr Elster, wo sehen Sie die größten Herausforderungen für kleine Steuerkanzleien?
Die kleine Steuerkanzlei muss sehr viel mehr bieten als nur steuerrechtliche Beratung. Der Mandant erwartet von seinem Steuerberater zusätzlich umfassende Finanz- und Vermögensberatung. Als Inhaber einer kleinen Kanzlei muss man seinen Kunden mittlerweile ein Komplettpaket anbieten – das kann der Einzelne oft nicht leisten.
Was raten Sie kleinen Steuerkanzleien in diesem Fall?
Um den neuen Anforderungen gerecht zu werden, müssen sich kleine Kanzleien gut vernetzen. Als Verband bieten wir ein großes Netzwerk an Fachberatern. So können wir unsere Verbandsmitglieder bei Bedarf an Steuerberater mit speziellen Fachgebieten weiterleiten. Dabei ist der Mandantenschutz sehr wichtig: Kein Steuerberater soll durch die Vernetzung mit Berufskollegen Mandanten verlieren. In unserer Kanzlei garantieren wir vertraglich, während und fünf Jahre nach der Zusammenarbeit, keinen Kontakt zu den Mandanten der Partner-Kanzleien aufzunehmen.
Der Wettbewerbsdruck steigt – welche Möglichkeiten hat speziell die kleine Steuerkanzlei, sich von Wettbewerbern abzugrenzen?
Gerade die kleine Steuerkanzlei kann sich durch das hohe Niveau an Qualität von ihren Mitbewerbern abgrenzen: Denn nur sie bietet den persönlichen Kontakt zwischen Mandant und Berater. Davon profitieren vor allem kleine Unternehmen, die sich nicht nur bei rein steuerrechtlichen, sondern auch bei alltäglichen Fragen an ihren Steuerberater wenden. Durch diesen engen Kontakt werden Steuerberater für Mandanten oft zu einer Art Familienmitglied. Um auch die betriebswirtschaftlichen Fragen dieser Mandanten beantworten zu können, muss sich die kleine Kanzlei gut vernetzen. Die Kombination aus persönlicher Betreuung und einem sicheren Netzwerk macht die kleine Kanzlei unschlagbar!
Wie können kleine Steuerkanzleien Mandanten binden?
Mandantenbindung ist ein langfristiges Thema – das kann man nicht von heute auf morgen umsetzen. Ich sehe diesbezüglich vor allem dann Probleme, wenn die Unternehmensübergabe nicht optimal vorbereitet wird. Der Nachfolger muss frühzeitig in die Zusammenarbeit mit dem Steuerberater integriert werden, diesen persönlich kennenlernen und an Beratungsgesprächen teilnehmen. Nur dann ist die Mandantenbindung langfristig und über Generationen hinweg möglich.
90 Prozent der kleinen Steuerkanzleien bieten betriebswirtschaftliche Beratung an, nur 10 Prozent rechnen diese auch ab – warum?
Betriebswirtschaftliche Auswertungen, die nur Summen und Saldi beinhalten, sind keine betriebswirtschaftliche Beratung und somit nicht abrechenbar. Zur BWA gehört ein Beratungsgespräch, das Ergebnisse und Kennzahlen strukturiert und erklärt. Ergeben sich beispielsweise Konsequenzen aus den Zahlen? Muss eventuell an bestimmten Stellen des Unternehmens nachjustiert werden? Intensive Fachgespräche, aus denen der Mandant Entscheidungen ableiten kann, können auch abgerechnet werden.
Sie fördern die betriebswirtschaftliche Fortbildung innerhalb der Branche – wie kommt dieses Angebot bei den Steuerberatern an?
Obwohl dieses Programm noch ganz am Anfang der Entwicklung steht, erzeugt es bereits sehr große Resonanz innerhalb der Branche. Die Mandanten brauchen immer häufiger hochwertige BWAs, denn 95 Prozent der Kreditentscheidungen fällen Banken auf deren Basis. Die Mandanten erwarten von ihrem Steuerberater, dass sie diese BWAs gestalten und dokumentieren, Summen und Zahlen zusammenstellen sowie Kennzahlen ableiten. Deshalb haben wir uns zum Ziel gesetzt, dem Steuerberater weiterführendes betriebswirtschaftliches Wissen zu vermitteln, so dass er BWAs sicher entwickeln und vor allem sachkundig erläutern kann. Dazu gründen wir einen Arbeitskreis aus EDV-Experten, Universitäts-Vertretern, Unternehmern und Bankern, die dieses Thema von allen Seiten beleuchten können. Derzeit sondieren wir, wer in diesen Arbeitskreis passen könnte.
Bei vielen Mandanten sinkt die Zahlungsmoral – was bedeutet das für die kleine Steuerkanzlei?
Die Mandanten selbst haben oft das gleiche Problem wie der Steuerberater: Sie müssen immer länger auf die Zahlungen ihrer Kunden warten. Man befindet sich also in der gleichen Situation und erwartet deshalb Verständnis und Rücksichtnahme seitens des Steuerberaters. Dies ist allerdings nur bedingt möglich, denn das Honorar wird dringend benötigt um die laufenden Personalkosten der Steuerkanzlei begleichen zu können. Aus diesem Grund muss dem Mandanten aktiv vermittelt werden, dass die Steuerkanzlei Dienstleistungen verkauft und auf die pünktlichen Honorarzahlungen angewiesen ist. Als Steuerberater ist man gleichzeitig immer Unternehmer: Um den Fortbestand der Kanzlei zu sichern, ist unternehmerisches Denken und Handeln zwingend notwendig.
Vielen Dank für das Gespräch!
Harald Elster
Ist seit 30 Jahren als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer tätig. Seit 2013 ist er Präsident des deutschen Steuerberaterverbands. (www.dstv.de)